Das Kloster wurde Anfang des 12. Jahrhunderts gegründet. Es wurde ständig umgebaut und erweitert mit imposanten Bauten romanischer Architektur und mit Gebäuden der Gotik, Renaissance und anderer Architekturstile.
Auf dem Klostergelände vermitteln der Kapitelsaal, das Refektorium, das Dormitorium, das Klosterspital, die Klosterküchen, die Prioreigebäude sowie unterschiedlichste Gartenanlagen nachhaltige Eindrücke vom geistlichen Leben, Alltag und Wirtschaften in Fontevraud.
Das Herzstück ist jedoch die Abteikirche, in der sich die königlichen Grabstätten befinden.
An diesem Ort im Tal der Loire werden auf rund 14 Hektar Fläche neun Jahrhunderte Geschichte so einzigartig erfahrbar, dass die Abtei von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.
Unter der jetzigen Abteikirche befinden sich die Überreste einer ursprünglichen Kirche von bescheideneren Ausmaßen.
Diese erste Kirche war wahrscheinlich nie fertig gestellt worden.
Das Langhaus wurde zwischen 1150 - 1160 fertiggestellt.
Im 19. Jahrhundert teilte die Gefängnisverwaltung das Langhaus in vier Etagen auf, mit Schlafsälen und Arbeitsräumen. Dabei wurden Fenster und Türen beschädigt.
Seit der Gründung der Abtei von Fontevraud zeigte sich die fürstliche Familie derer von Anjou dem jungen Orden gegenüber sehr großzügig.
Heinrich II. und seine Gattin Eleonore von Aquitanien waren ebenso freigiebige Spender und aufmerksame Beschützer.
Zwei ihrer Kinder wurden teilweise hier erzogen: Johann Ohneland und seine Schwester Johanna von England.
Aber nichts deutete zunächst darauf hin, dass die Abteikirche Sainte-Marie einmal die Grabstätte der Plantagenêt-Könige werden sollte.
Es ist sicher, dass Heinrich II. in der Abteikirche von Grandmont beer-digt werden wollte. Er stirbt im Juli 1189 in Chinon. Es ist sehr heiß, und seine Umgebung
zögert, den Leichnam so weit zu transportieren.
Die Abtei von Fontevraud, die dem verstorbenen König ebenso teuer war, ist nur 15 km weit entfernt. So wird Heinrich II. dort
beerdigt.
Richard Löwenherz, der mit seinem Vater im Streite gelegen hatte und nun Erbe der Krone Englands war, kommt zur königlichen Beerdigung. Von Reue ergriffen bittet er, zu Füßen seines Vaters bestattet zu werden. Das geschieht im Jahre 1199, als er vor den Mauern des Schlosses von Châlus stirbt.
Johanna von England, Königin von Sizilien und - nach ihrer Wieder-verheiratung mit Raimund VI. - Gräfin von Toulouse, stirbt im Wochenbett in Rouen und nimmt auf
ihrem Sterbebett das Ordensgewand an. Sie wird in der Abteikirche neben Vater und Bruder im Jahre 1199 bestattet.
Die Witwe Königin Eleonore, schwer geschlagen durch den Tod der Mehrzahl ihrer Kinder, zieht sich in die Abtei zurück. Sie stirbt dort und wird 1204 in der Abteikirche beigesetzt.
Andere Mitglieder der königlichen Familie gesellen sich zu Heinrich II. in seiner Grabstelle: Isabella von Angoulême, seine Schwiegertochter, Witwe des Johann ohne
Land; sie lebte getrennt von ihrem Gatten Hugues-de-la-Manche und stirbt im Nonnenkleid in
Fontevraud.
Raimund VII von Toulouse, ihr Enkel, der in seinem Testament bat, dort bestattet zu werden.
Mehrere andere Personen der königlichen Familie sind in der Abteikirche beerdigt und das Herz von Heinrichs Sohn Johann Ohneland und das seines Enkels Heinrich III.
befinden sich ebenfalls dort.
Vier herrliche mehrfarbige Grabplastiken sind heute noch in der Abteikirche aufbewahrt.
Drei sind aus Stein:
Heinrich II., Eleonore und Richard.
Der vierte, Isabella, ist aus Holz.
Sie zeugen von der königlichen Grabstelle, die sie in ihrer Anordnung nach dem Jahre 1638 zeigen: eine Zeichnung aus dem Jahre 1677.
Heinrich II, König von England (1154-89); auch Heinrich Kurzmantel genannt, Sohn Gottfrieds V., Graf von Anjou (Plantagenet), und Mathildes, der Tochter Heinrichs I.; der bedeutendste englische König des Mittelalters und bedeutende Staatsmann war der Begründer der Dynastie Plantagenet und des Angevinischen Reiches.
Eleonore von Aquitanien, Königin von England; Erbtochter Wilhelms X., des Herzogs von Aquitanien; bevor sie 1152 Heinrich Plantagenet, den Grafen
von Anjou und Herzog der Normandie, den späteren Heinrich II. heiratete, war sie mit dem französischen König Ludwig VII. seit 1137 verheiratet und demnach auch Königin von Frankreich. Aus dieser
Ehe gingen zwei Töchter hervor (Marie 1145 und Alice 1150). Diese Ehe wurde jedoch unter dem vorgeschobenen Grund der Blutsverwandschaft aufgelöst.
Eines ihrer Kinder mit Heinrich II. war Richard I. Löwenherz, ein weiteres ihr jüngster Sohn Johann Ohneland.
Als Richard zusammen mit seinen Brüdern 1173 ohne Erfolg gegen seinen Vater rebellierte, unterstützte ihn Eleonore, und wurde daraufhin bis 1185 gefangen gehalten. In der Zeit, in der Richard im Heiligen Land weilte, führte sie die Regentschaft in England und vereitelte den Plan ihres jüngsten Sohnes Johann Ohneland, sich 1193 mit Frankreich gegen Richard zu verbünden. Nach der Rückkehr Richards 1194 vom 3. Kreuzzug gelang es ihr, die beiden Brüder miteinander zu versöhnen.
Richard I. Löwenherz, König von England (1189-99); der Sohn Heinrichs II. und der Eleonore von Aquitanien wurde 1168 Herzog von Aquitanien und 1172
Herzog von Poitiers. Während der Teilnahme am dritten Kreuzzug (1190-1192), in dem er zusammen mit dem französischen König Philipp II. August gemäß eines Gelübdes gezogen war, wurde England von
seinem Bruder Johann Ohneland verwaltet. Als Richard sich mit Philipp II. August auf Sizilien zerstritt, kehrte dieser vorzeitig zurück und wurde zu seinem Gegner, als er mit Johann einen Vertrag
schloss, aufgrund dessen Richard den englischen Besitz in Frankreich verlor (Johann wurde im Gegenzug die Verwaltungshoheit über die restlichen Gebiete zugesichert).
Daraufhin brach auch Richard 1192 den Kreuzzug ab, geriet jedoch auf dem Rückweg in die Gefangenschaft Herzog Leopolds V. von Österreich auf Burg Dürnstein und
Kaiser Heinrichs VI. auf Burg Trifels (Pfalz). Aus ihr konnte er sich erst 1194 durch den politischen Druck des Papstes Coelestin III. und durch ein hohes Lösegeld und Leistung des Lehnseides
befreien. Der Bericht von der Befreiung durch den Sänger Blondel ist Sage. Nach seiner Befreiung und Rückkehr verzieh er zwar seinem Bruder, verfolgte aber seinen ehemaligen Verbündeten Philipp
II. August. Nach den Siegen bei Freteval (1194) und Issoudun (1195) sowie der Einnahme Angoulêmes konnte er den größten Teil der von Philipp II. August unrechtmäßig annektierten Gebiete
zurückgewinnen. Bei einer der Auseinandersetzungen mit dem aufständischen Adel in Aquitanien wurde er bei der Belagerung der Burg Chalus von einem Armbrustbolzen getroffen und starb an
Wundfieber. Sein Nachfolger wurde Richards Bruder, Johann Ohneland.
Isabella von Angoulême, Königin von England (1200-1216); Halbschwester Heinrichs III.; seit 24.8.1299 zweite
Gemahlin von König Johann Ohneland von England (“John's Jezebel”), nachdem dessen erste Ehe annuliert worden war.
Nach dem Tod Johanns (1216) kehrte sie nach Frankreich zurück und heiratete 1220 Hugo X. von Lusignan.
1244 des Verrats gegen den französischen König angeklagt, floh sie in die Abtei Fontevraud.
In diesem Saal werden die verschiedenen "Kapitel" abgehalten: Generalkapitel, Klosterkapitel, Schuldkapitel, Verwaltungskapitel.
Dort finden auch verschiedene liturgische Zeremonien statt, wie manchmal Mandatum und Complet.
Der Kapitelsaal, der im 16. Jahrhundert wiederaufgebaut worden ist, vermittelt den Eindruck einer seltenen architektonischen Eleganz, mit seinen schlanken Säulen, die sich wie Palmen zu den sechs Gewölbejochen öffnen.
Die Wände wurden um 1563 mit biblischen Szenen bemalt:
das Abendmahl mit der Fußwaschung, der Verrat des Judas, die Geißelung, die Dornenkrönung, die Kreuzigung, die Grablegung, die Auferstehung, Pfingsten, der
Marienschlaf.
Während der Gefängnisperiode diente der Kapitelsaal zunächst als Vorratsraum für die Küche, die in der anstoßenden Wärmehalle eingerichtet worden war, dann als Prätorium für die Verurteilung der Gefangenen, die während der Haft Delikte begangen hatten.
Das Küchengebäude wurde ganz zu Beginn der jungen Ordensgemeinschaft, spätestens 1160, erbaut.
Verschiedene Historiker nannten sie "Tour d'Evraud" - Turm des Evraud - (Evraud war - nach der Legende - ein Räuber, der in der Zentrallaterne des Gebäudes Feuer
machte, um verirrte Reisende anzuziehen).
Aus Furcht vor dem Feuer gänzlich aus dem einzigen Baumaterial Stein errichtet, war diese Küche zur Zeit ihrer Erbauung von den anderen Gebäuden isoliert. Außer
ihrer Funktion als Küche diente sie auch als Räucherkammer.
Ihr Baustil weist byzantinischen Einfluss auf, und dieses "Fischschuppen"-Dach kann man auf zahlreichen Gebäuden der Poitou-Gegend finden. Die Küche ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts restauriert worden.
alle Fotos 2007
©Traudi
16.11.2010