Heute möchte ich euch eines der außergewöhnlichsten Bauwerke mit mittelalterlicher Kirchenausstattung vorstellen. Es handelt sich um die Veitskapelle in Stuttgart-Mühlhausen. Sie zeigt eine Vielzahl von Kostbarkeiten. Neben den mittelalterlichen Altären sind es vor allem die Wandmalereien aus der Zeit um 1400 bis etwa 1440, die nie übertüncht wurden. Sie zählen zu den besten erhaltenen Wandmalereien in Baden-Württemberg und prägen die Veitskapelle.
Mit dem Bau der Veitskapelle wurde im Jahr 1380 begonnen. Dies machte eine Stiftung des „ehrbaren Reinhart von Mühlhausen, Bürger zu Prag“ möglich.
Er hatte es mit seinem Bruder Eberhart in Prag zu hohem Ansehen und Vermögen gebracht.
Beide waren für die Grafen von Württemberg tätig und hatten Beziehungen zum Kaiserhof. Die Veitskapelle ist Reinharts Geschenk an seine Heimatgemeinde.
Das Bauwerk war ursprünglich St. Wenzeslaus, St. Veit und St. Sigismund geweiht. Erst das 15. Jahrhundert machte Veit zum Hauptpatron.
Die Steinbaldachine zu beiden Seiten des Chorbogens wurden nachträglich eingefügt
Die spätgotischen Seitenaltäre entstanden Anfang des 16. Jahrhunderts.
(Auf dem Foto oben rechts und links mit den beiden Seitenaltären zu erkennen.)
Die Wandmalereien umfassen das Schiff, dem Platz der Gemeinde, und erzählen die Geschichte Gottes mit uns Menschen:
An der Südwand kann man in der oberen Reihe Bilder aus dem Alten Testament sehen: Weltschöpfung und Erschaffung der Frau; die Zusammenführung von Mann und Frau, der Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies, die Ackerarbeit, Noahs Arche…
Darunter sind Erzählungen aus dem Neuen Testament dargestellt: Das Gespräch am Jakobsbrunnen, die Hochzeit zu Kanaa, Jesus und die Sünderin, die Auferweckung des Lazarus, die Vertreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel…
Das Ölgemälde neben der Empore erinnert an die Wohltäterin während der 30-jährigen Krieges Magdalena von Eyb (1600-1663).
Die ältesten Malereien der Kapelle sind an der Ostseite zu sehen. Apostel und Propheten (die Apostel mit Heiligenscheinen), sie präsentieren auf ihren Spruchbändern das Apostolische Glaubensbekenntnis.
Der Flügelaltar stammt aus dem Jahr 1510, in dem der Heilige Veit im Mittelpunkt steht.
Unter dem vergoldeten Laubwerk sieht man die Figuren von 5 Heiligen:
Von links: den Märtyrer Hippolytus, Wenzeslaus mit Krone, Schwert und Reichsapfel, Veit mit dem Kessel, Sigismund mit Krone, Schwert und Reichsapfel, und Veits‘ Erzieher Modestus mit Buchbeutel.
Die Predella, das Tafelbild darunter, zeigt Christus inmitten der zwölf Apostel.
Auf dem linken Flügel des Altars sieht man die Taufe Veits.
Auf dem rechten Flügel wird Veit geschlagen, weil er zu seinem Glauben steht.
Veit wurde auf Sizilien geboren. Er starb mit 12 Jahren den Märtyrertod.
Auf dem linken Seitenaltar sieht man Petrus mit dem Himmelschlüssel, Paulus mit der Heiligen Schrift und einem Schwert in den Händen, und Johannes den Täufer mit dem Gotteslamm.
Die Seitenflügel erzählen die Legende Johannes des Evangelisten.
Der rechte Seitenaltar
zeigt 5 Frauen,
die als Märtyrerinnen gekrönt sind:
Dorothea, Katharina, Walpurga, Barbara und Agathe.
Man vermutet, dass dieser Schrein Teil des einstigen Hochaltars in der benachbarten Walpurgiskirche war, die im Krieg zerstört wurde.
Das Grabdenkmal von Engelbolt von Kaltental und seiner Frau unter dem Kreuz
Im 16. Jahrhundert gehörte Mühlhausen den Herren von Kaltental. Sie machten die Veitskapelle zu ihrer Begräbnisstätte.
Engelbolt von Kaltental hatte 1567 in Mühlhausen die Reformation eingeführt.
Er starb 1586.
Im Fries ist das Bekenntnis zu lesen:
Gott Der Vater hat uns Beyde Erschaffen / Gott Der sohn hat uns Erlöst / Gott Der Heilig Geist
hat uns in Disem Christlichen glaube(n) Erleicht / In Disem Glauben Durch Gottes Barmhertzigkeit / Versamlen Wir Uns zu Unsern Eltern / Der well uns am tag Des Gerichts mit Freide Erwecken /
A(men).
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Gudrun (Sonntag, 10 Juli 2022 17:03)
Das ist ja wirklich eine alte Kapelle, zumindest, was die Anfänge betrifft. Die Kapellen im Mittelalter waren wirklich sehr farbenfroh. Erst später wurde alles übertüncht. Im Naumburger Dom hat man ein Zimmer restauriert in den Originalfarben. Den Unterschied sieht man so deutlich.
Danke für Bilder und Beitrag.
Liebe Grüße an dich.
Manu (Sonntag, 10 Juli 2022 19:46)
Hallo Traudi,
jetzt habe ich mich gerade mal zu Dir rübergeklickt und festgestellt, dass Du ja gar nich so weit von mir weg bist und sogar schon einen Beitrag übers Kurstädtchen Urach gebracht hast, das ist ja toll. Ich werde mich hier mal so nach und nach durchlesen und bestimmt noch manch Ausflugszielt entdecken. *G*
Am Seifenblasenmann bin ich übrigens einen Tag später vorbeigekommen, da hat er genau da auch gestanden.
Liebe Grüße
Manu
Elke (Mainzauber) (Montag, 11 Juli 2022 16:28)
Liebe Traudi,
diese Kapelle ist wirklich ein Gesamtkunstwerk! Irgendwie scheint sie mir schon sehr überladen zu sein, und ich denke nicht, dass ich da wirklich alles genau ansehen würde. Da braucht man ja Stunden für. Aber beeindruckend ist das natürlich schon. Du hast jedenfalls viele großartige und informative Fotos gemacht.
Herzliche Grüße – Elke
Fraukografie (Dienstag, 12 Juli 2022 15:41)
Huhu liebe Traudi,
ein beeindruckendes Inneres, das muss man schon sagen.
Da sieht man wo das Geld sitzt. ;-)
LG Frauke
Träumerle Kerstin (Mittwoch, 20 Juli 2022 16:58)
Die sieht ja prächtig aus! Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Schön, dass die Wandmalereien erhalten wurden. Alles ist ein Zeugnis von Handwerk vergangener Zeit. Ich finde diese alten Bauten sowieso immer interessanter als neue, moderne Kunst. Da schüttel ich oftmals den Kopf und sage zu meinem Mann, dass wir für so was wahrscheinlich zu ungebildet sind.
Liebe Grüße von Kerstin.