Nun habe ich euch aber mit dieser Überschrift neugierig gemacht.
Ich will versuchen, es zu erklären:
Eine „Eheordnung“ aus dem Jahr 1553 schrieb vor, dass ein Mann wegen vorzeitigem und unerlaubtem Beischlaf mit seiner Braut eine Woche bei Wasser und Brot im Turm eingesperrt wurde.
Eine uneheliche Mutterschaft galt als „Unzucht“ und wurde somit zum Makel.
Die kommunalen Behörden hatten das Interesse, eine Verbindung armer Eheleute zu vermeiden, um die Armenkasse, die für die Versorgung der Eheleute zuständig war, zu schonen.
Um das Heiratsgesuch bei ihrer Gemeinde stellen zu können, mussten Tagelöhner jahrelang sparen. Heiratsgesuche wurden jedoch meist wiederholt abgelehnt. Viele Paare lebten deshalb ohne Trauschein, was wiederum bestraft wurde. Und so stieg auch die Zahl unehelicher Geburten.
Ab dem 14. Lebensjahr suchten sich die meisten Mädchen eine Anstellung als Dienstmägde bei begüterten Familien. Wurden sie schwanger, so konnten sie von ihren Dienstherren entlassen werden.
Uneheliche Schwangerschaften wurden von Kirche und Staat bestraft. Obwohl dies hohe Geldbußen und Arrest zur Folge hatte, nahmen die unehelichen Geburten zu.
Aus dieser Zeit befindet sich in meinem Nachbarort Aichschieß das "Zuchthäusle".
Auf der Tafel steht geschrieben:
An dieser Stelle stand früher das 1711 erbaute Schulhaus, das ab 1848 bis 1936 als Rathaus diente, dann wegen Baufälligkeit geräumt und 1955 abgebrochen wurde.
Im Durchgang des Gebäudes war das "ZUCHTHÄUSLE" dem Kirchhof zu eingemauert.
Später wurde es dann auch "JUNGFERNLOCH" getauft, weil hier die ledigen Mütter 14 Tage lang nur bei Wasser und Brot eingesperrt wurden, nachdem sie zuvor in der Kirche in der ersten Reihe sitzend "von der Kanzel g'schmissa", also "abgekanzelt" wurden.
Zum Glück haben sich die Zeiten geändert. Das "Jungfernloch" wäre überfüllt.
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Ocean (Dienstag, 04 Januar 2022 15:17)
Liebe Traudi,
puh, das waren wirklich noch andere Zeiten damals. Kann man sich kaum vorstellen. Ich finde, das Mittelalter wird oft "idealisiert" - die Zeit interessiert mich zwar sehr - aber selbst hätte ich damals nicht leben wollen, und schon gar nicht als Frau.
Wobei das Zwangszölibat ja Männer und Frauen gleichermaßen betraf ... Wirklich interessant - ich hatte bisher noch nie davon gehört! Von einem konsequenten Sozialstaat war man damals offenbar noch weit entfernt ..
Liebe Grüße zu dir,
Ocean
Elke (Mainzauber) (Dienstag, 04 Januar 2022 18:00)
Liebe Traudi,
ich schließe mich Oceans Kommentar einfach mal an, denn ich hätte sonst genau dasselbe geschrieben. Aber "Zuchthäusle" �, diese Verniedlichung, die hat schon was. Sehr interessant, was du da wieder ausgegraben hast.
Herzliche Grüße – Elke
Carola Jo (Mittwoch, 05 Januar 2022 15:45)
Uiii,
so deutlich hatte ich das auch nicht parat. Was für ein Glück, heute zu leben. Interessant, dass das Heiratsgesuch so teuer war, heute ist das ja anders-teuer wird es erst zur Feier :-)
Viele Grüße
Jo
Harald (Mittwoch, 05 Januar 2022 16:15)
Das ist gar nicht so weit hergeholt zumindest soweit es die Eheordnung angeht. In Deutschland gab es mal den § 1300 BGB. Der bestrafte nicht mir Wasser und Brot sondern mit Geld.
siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Kranzgeld
Gudrun (Mittwoch, 05 Januar 2022 17:21)
Also, im Mittelalter wollte ich nicht gelebt haben.
Ein sehr interessanter Beitrag ist das wieder, liebe Traudi. Vielen Dank.
Ich habe in einem Stadtbuch der Stadt leipzig gelesen, dass ein Schäfer hinter dem Ranstädter Tor einige Gulden ins Säckel der Stadt Leipzig zahlen musste, weil er "eine Dirnen geschwängert" hatte. Wie die arme Frau damit fertig wurde blieb unerwähnt.
Liebe Grüße an dich.
Eiderente (Mittwoch, 05 Januar 2022 20:43)
Vielleicht sollte mensch noch erwähnen, dass viele der schwangeren Mägde durch den "Hausherrn" in diesen Zustand versetzt - und dann natürlich genau deshalb von selbigem (oder der Herrin) entlassen wurden. Und wenn sie sich ihm verweigerten, waren sie möglicherweise die Arbeit und damit das Dach überm Kopf und das Brot auf dem Tisch noch schneller los...
Und das endete nicht unbedingt und überall mit dem Mittelalter...
Bernhard (Donnerstag, 06 Januar 2022 16:47)
Liebe Traudi,
es hat immer die Armen getroffen, die Reichen hatten Narrenfreiheit ...
LG Bernhard
Kelly (Freitag, 07 Januar 2022 06:58)
Da gibt es quer durch die Geschichte viele grausliche Beispiele und die Leidtragenden waren überwiegend Frauen und auch die Kinder.
Das Bewusstsein für Recht und Unrecht hat sich nicht grundlegend gebessert, die sozialen Bedingungen sind besser, die Menschen nicht...
Alles Gute für dich, liebe Traudi!
Träumerle Kerstin (Dienstag, 11 Januar 2022 18:36)
Es waren schlimme und grausame Zeiten. Heute unvorstellbar. Damals hätte ich nicht leben wollen, haben wir es heute doch so gut!
Liebe Grüße von Kerstin.